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Unsere Geschichte

Unsere Geschichte

Die Bedeutung des Krankenhauses El Chak für die Region steht in Wechselwirkung zu den Entwicklungen in Afghanistan. So ist dessen Entstehung und Entwicklung auch nur vor dem Hintergrund der afghanischen Geschichte und Gesellschaft zu verstehen.
 

Das heutige Afghanistan ist ein recht junger Nationalstaat, dessen Grenzen auf koloniale Interventionen zu Ende des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Ausgangspunkt waren britische Expansionsbestrebungen in Indien und die damit einhergehende britisch-russischen Rivalität um Einfluss- und Interessensphären in Zentral- und Vorderasien. Nach mehreren Kriegen mündete dies in der Schaffung eines Gebietes namens Afghanistan, welches vorrangig als politisch neutrale Pufferzone der beiden Hegemonialmächte dienen sollte. Das Ergebnis ist ein Binnenland mit geostrategischer Lage zwischen verschiedenen Kulturräumen (Iran, Indien und Zentralasien), dessen Geschichte seither wiederholt durch interne Konflikte und Kriege oft mit externer Einflussnahme geprägt ist und neben Armut und Perspektivlosigkeit ursächlich für die Fluchtbewegungen innerhalb des Landes sowie auch in das Ausland sind.
 

Diese oktroyierte Staatsbildung spiegelt sich in der Heterogenität der gespaltenen, afghanischen Gesellschaft wider. Unter den zahlreichen Ethnien (Tadschiken, Usbeken, Turkmenen, Belutschen,…) bilden in der auf etwa 30 Millionen geschätzten Bevölkerung die Paschtunen mit etwa 40 Prozent die größte Volksgruppe im Land. Der Begriff Afghane bezieht sich ursprünglich nur auf die Angehörigen der Paschtunen-Stämme. Der Großteil der Bevölkerung bekennt sich zum sunnitischen Islam, doch existieren neben den zwei größten muslimischen Glaubensrichtungen, den Sunniten und den Schiiten, mit den Hindus und Sikhs noch weiter bedeutende Religionsgruppen.
 

Die zu Anfang des 20. Jahrhunderts unternommenen Reformversuche, die auch einen Ausbau des Schulwesens und Einführung von Frauenrechten zum Ziel hatten, scheiterten insbesondere am Widerstand konservativer Stammesführer und religiöser Würdenträger. Mit der Etablierung der königlichen Musahiban-Dynastie ab 1930 erfolgte eine Verständigung mit den lokalen Eliten auf dem Land, deren dortige Vormachtstellung akzeptiert wurde und im Gegenzug eine Anerkennung der Herrschaft erreichten.
 

In der Folgezeit versuchte man den Einfluss der beiden Großmächte Sowjetunion und USA auszubalancieren. Eine Zäsur ereignete sich mit der militärischen Intervention in Afghanistan durch die Sowjetunion im Jahre 1979: Infolge des Erstarkens von islamistischen Rebellengruppen (Mudschahedin), die von westlichen Staaten materiell unterstützt wurden, erfolgte ein Putsch, der von Seiten der UdSSR unterstützt wurde.
 

Mit dem Abzug der sowjetischen Truppen Anfang 1989 entflammte ein Bürgerkrieg mit unterschiedlichen Konstellationen von Parteien und Teilnehmer Im gleichen Jahr beschloss das damalige Deutsch-Afghanische Komitee mit finanzieller Hilfe der Europäischen Union in Chak-e-Wardak, ca. 65 km südwestlich von Kabul, ein Krankenhaus zu errichten. Das Komitee hatte bereits während der sowjetischen Besatzungszeit medizinische Einsätze in der Region durchgeführt und dabei den Platz in Chak in unmittelbarer Nähe und im Schutz des von SIEMENS in den Jahren von 1938 bis 1942 gebauten Wasserkraftwerks ausgewählt. Als wichtige Standortfaktoren erwiesen sich das Wasser des Chak Flusses und das gute Hochlandklima (2.400 über NN).

Unsere Geschichte

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Karla Schefter, ehemalige leitende OP-Schwester der Städtischen Kliniken in Dortmund, die für das Deutsch-Afghanische Komitee auch in den Orten Sadda und Chost tätig war, bekam den Auftrag zusammen mit zwei Ärzten nach Chak zu fahren, um dort mit der Arbeit als leitende Schwester und Ausbilderin zu beginnen. Zunächst richtete man zwei Räume im Kraftwerk provisorisch als Ambulanz ein, wo mit äußerst "primitiven" Mitteln gearbeitet und sogar operiert wurde. Im Juli 1989 wurde der endgültige Bauplatz für das Hospital festgelegt.
Nach der Zustimmung des örtlichen Gemeinderats (Shura) sowie der Finanzierungszusage von Seiten der EU, wurde mit dem Bau des ersten Gebäudes begonnen. Durch vielerlei Hindernisse wurde die Fertigstellung verzögert, so dass der Bezug erst am 26. Juni 1991 erfolgen konnte. Bereits in diesen beiden ersten Jahren kehrte Karla Schefter im Winter nach Deutschland zurück, um mit Vorträgen Geld für das Hospital zu sammeln.

Im Januar 1992 wurde sie schließlich vom Deutsch-Afghanischen Komitee gebeten als Projektleiterin nach Chak zu reisen. So fand sie sich am selben Ort in ihrem geliebten Afghanistan wieder. Doch nicht für lange - im Dezember 1992 wurde das noch nicht fertig gestellte Hospital geschlossen, weil der Fördervertrag mit der EU ausgelaufen war. Das Deutsch-Afghanische Komitee musste sich auflösen, da keinerlei Finanzmittel vorhanden waren. Eine Minimalbelegschaft des afghanischen Personals blieb jedoch in Chak und arbeitete unentgeltlich weiter, um das Hospital vor Raub oder Missbrauch für andere Zwecke zu schützen. Karla Schefter nutzte ihren Aufenthalt in Deutschland, um einige befreundete Ärzte, die Chak besucht hatten, zur Gründung eines Unterstützervereins zu bewegen und Geld zu spenden, um weiterarbeiten zu können. Dies führte zur Gründung des Komitees zur Förderung medizinischer und humanitärer Hilfe in Afghanistan e.V. (CPHA).
 

Zur gleichen Zeit erwuchs mit den Taliban eine Bewegung, die nach dem Sturz des Staatschefs Muhammad 1992 zunehmend weite Teile Afghanistans unter Ihre Kontrolle bringen konnte und ab 1996 mit starker Unterstützung Pakistans auch die Macht in Kabul übernahmen. Hieraus resultierte eine Auseinandersetzung der sogenannten Nordallianz gegen das islamische Taliban-Regime, in dem die externen Mächte als Schutzmächte ihrer jeweiligen Verbündeten agierten und somit ein fortlaufendes Auseinanderbrechen des Landes vorantrieben. 
Mit dem aktiven Eingreifen der USA bzw. der NATO im Jahr 2001 wurde der ursprünglich innerafghanische Konflikt durch den weltweiten Kampf gegen den Terrorismus überlagert. Jegliche wirtschaftlichen Anstrengungen sowie Wahlen führten seitdem zu keiner dauerhaften Befriedung im Land. Entscheidend sind hierbei sicherlich die unterschiedlichen Vorstellungen der beteiligten Gruppierungen in der Ausrichtung einer (islamischen) Gesellschaft So ist der Alltag in Kabul und anderen Großstädten von Anschlägen geprägt, während sich die direkten bewaffneten Auseinandersetzungen mehr in die Provinzen verlagerten. Auf Grund der von Karla Schefter ausgeübten strikten Neutralität gegenüber allen politischen und religiösen Parteien ist das Chak-e-Wardak Hospital eine Insel des Friedens in der Provinz Wardak. So wurde das Krankenhaus während der bis heute (2020) andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen nie angegriffen, und bot somit offensichtlich Schutz vor militärischen Aktionen.
 

Weiterhin zählt Afghanistan zu den Ländern, deren Großteil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt. Karla Schefter und das Komitee sind fest entschlossen, ihre bisherige erfolgreiche Arbeit zum Wohle der Not leidenden Menschen des nach wie vor von kriegerischen Auseinandersetzungen erschütterten Landes fortzusetzen.